Wenn der Schatten den Regenbogen berührt


Jedes Jahr sind rund um die Welt Menschen zum CSD auf den Straßen. Sie demonstrieren für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuelle und Transgender sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Auch Jason und sein Freund Peter sind mit dabei.

Verkleidet als Captain Homo und Thor mit dem harten Hammer fahren sie auf einem der Festwagen mit. Die Stimmung ist ausgelassen. Jeder freut sich vor allem auch auf die After Show Party. Doch dieses Mal endet das große Fest anders als erwartet.

Die Story erschien erstmals im November 2018 in der 26. Ausgabe der Homo Schmuddel Nudeln in "Feste feiern, wie sie fallen".
ca. 7.000 Wörter

ISBN: 978-3-7487-0064-7 | ASIN: B07Q6DF58C | 0,99 Euro 
Kindle-Format (erhältlich bei Amazon) ePUP-Format (erhältlich in diversen Online-Shops wie z.B. Thalia | Hugendubel)


Leseprobe

Zwei Stationen später verließen viele Jugendliche die Bahn, wahrscheinlich, um zu ihrem Sammelplatz zu gehen, andere stiegen hinzu. Überall leuchteten Regenbogenfarben auf, in der Bahn wie auch auf den Straßen. Die Sitzgruppe neben Peter und Jason war frei geworden. Vier junge Männer, mit Bierflaschen in der Hand, machten sich dort lautstark breit. Ihr dunkles Outfit war so weit von der Fröhlichkeit der anderen Fahrgäste entfernt, wie die Erde von dem nächsten Schwarzen Loch.

„Was ist denn hier los? Ist irgendwo ein Nest?“, polterte einer von ihnen.

Um sie herum verstummten die heiteren Gespräche, als würde sich eine dunkle Wolke in der Straßenbahn breitmachen. Das ältere Ehepaar, gerade noch offen und freundlich, stand auf. Der Mann, den Blick auf die verstörenden Männer gerichtet, half seiner Frau und schob sie von der unangenehmen Nachbarschaft weg. Das Rentnerpaar suchte sich am anderen Ende der Bahn neue Plätze. Die Rabauken krakelten ihnen triumphierend hinterher.

Erneut ruckte die Bahn wieder an. Im vorderen Teil ging es weiterhin lustig und ausgelassen zu, doch in dem, wo Peter und Jason saßen, blieb es weiterhin beklemmend still.

Mitten in dieser Stille rülpste einer der Biertrinker und stieß danach seinen Kumpel an. „Was haben Schwule und ein Schrotgewehr gemeinsam?“ Dabei schaute er grinsend in die Runde und genoss die verlegenen Blicke der Fahrgäste.

„Sind beide zum Schießen?“, fragte einer aus der Clique.

Die Typen lachten laut, doch der Rädelsführer bat um Ruhe. „Falsch. Beide kann man in der Mitte knicken und von hinten laden.“ Provozierend schaute er sich um. Sein Blick blieb an Peter und Jason hängen.

Peter erwiderte die Musterung, wobei er die Stirn runzelte. Es war schwer, die Provokation zu ignorieren, aber er blieb äußerlich ruhig. Im Inneren brodelte es jedoch bedenklich.

Da die erhoffte Wirkung ausblieb, setzte der Störenfried nach. Er deutete auf die freien Plätze. „Erinnert mich an den Spruch: Lieber hektisch am Ecktisch, als schwul über'n Stuhl.“

Die Atmosphäre wurde zunehmend angespannter. Peter ballte unbewusst die Fäuste und starrte auf die Vierergruppe. Einer von denen hatte die leere Bierflasche auf den Boden gelegt und gab ihr einen Schubs, so dass sie durch die Bahn rollte. Das Geräusch war in der Stille fast überlaut.

Der Rädelsführer blaffte Peter an: „Was gaffst so blöde? Bist wohl auch so eine Schwuchtel?“ Er bleckte die Zähne.

Obwohl Peter wusste, dass es Ärger geben würde, konnte er sich eine Antwort nicht verkneifen. „Warum? Suchst du einen neuen Freund?“ Wahllos deutete er auf einen der Kumpane. „Bringt er es nicht mehr?“

Das war überflüssig und zudem völlig sinnlos. Mit solchen Typen konnte man nicht reden. Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich von diesen homophoben Affen provozieren zu lassen?

Zwei der Störenfriede machten Anstalten sich zu erheben, um sich auf Peter zu stürzen.

„Ich hoffe für dich, Schild und Hammer sind nicht nur aus Pappe“, raunte Jason Peter zu. Auch er beugte sich vor, bereit aufzuspringen, um seinem Freund beizustehen.

Für einen Moment richteten sich alle Augenpaare auf das Zentrum des Geschehens. Es war unheimlich still. Die Geräusche der Straßenbahn, die ratternd durch die Stadt zuckelte, waren überdeutlich zu vernehmen. Die Bierflasche kullerte laut klappernd zurück zu der Vierergruppe. Die Anspannung stieg. Weiter vorne wurde es gleichfalls ruhiger, als ahnten die anderen Fahrgäste, dass sich im hinteren Teil etwas zusammenbraute.

Dann hielt die Bahn. Einige Gäste zogen es vor auszusteigen, neue Passagiere gerieten nichtsahnend mitten ins Geschehen.

Als die Bahn wieder anruckte, waren zwei der Störenfriede aufgestanden. Auch Peter erhob sich, während Jason versuchte ihn zurückzuhalten.

Bevor jedoch die Situation kippen konnte, drängte sich ein Mann auf einen der Plätze, die von dem Rentnerpaar geräumt worden waren. Er trug eine verdammt enge Jeans, Sandalen und ein Netzhemd, das so grobmaschig war, das jedes hungrige Baby vor Wonne geschrien hätte.

Peter zumindest hätte es gern getan. Für einen Moment vergaß er die brenzlige Situation und starrte nur den Neuankömmling an. Er wurde erst wieder in die Realität zurück katapultiert, als sich der Rädelsführer nochmals zu Wort meldete.

„Hier ist ein ganzes Nest voller Schwuchteln“, stieß er verachtend hervor.

Der neue Fahrgast, Peter schätzte ihn auf Ende 30, reagierte nicht. Von dem war wohl kaum Hilfe zu erwarten, egal, wie geil er gestylt war.

„Hey du, Schwanzlutscher, willst du es den beiden nicht besorgen?“, grölte der Anführer der Viererbande erneut und erntete von seinen Kumpanen unterstützendes Gelächter.

Langsam drehte sich der Fremde um, musterte gelassen die Gruppe und sagte dann, mit betont gelangweilter Stimme: „Immer dieselben hirnlosen Floskeln. Immer dieselben dumpfen Kommentare. Wenn ihr unbedingt beleidigend sein wollt, solltet ihr etwas kreativer sein!“

„Dir gebe ich gleich Kreativität!“ Der Anführer richtete sich zu voller Größe auf. Seine Kumpane hörten auf zu lachen.

Für einen kurzen Moment schloss Peter die Augen. Jetzt würde es losgehen. Wie er es hasste. Von Wut erfüllt stand auch er auf. Er richtete seinen Blick auf die Gruppe. „Lasst den Mann in Ruhe. Den Streit habt ihr mit mir angefangen. Also bringt ihn auch mit mir zu Ende!“

Jason stand gleichfalls auf, raunte seinem Freund ungläubig „Was tust du da?“, ins Ohr, blieb aber hinter ihm stehen.